Sr. Hedwig
Ich bin sehr gerne tanzen gegangen. Nachdem ich bereits das ganze Wochenende zu einer Kirmesfeier in Vreden war, bin ich auch noch montags gegangen. Und an diesem Montag gab es einen Moment, da war der Wunsch nach tanzen auf einmal weg. Einfach weg! Ich wollte nicht mehr tanzen.
Zum InterviewIch wollte immer heiraten wie die anderen auch. Ich hatte auch einen Freund. Und zu meinem großen Erstaunen habe ich dann festgestellt, dass auch dieser Mann nicht der Richtige für mich war. Daraufhin habe ich Gott gebeten, mir ein Zeichen zu geben. Er hat mir kein Zeichen im klassischen Sinne gegeben, aber ich habe in mir ganz laut und deutlich gehört, wie jemand sagte „Komm!“
Zum InterviewIch habe gedacht „du sitzt schön in Berlin, hast dich eingerichtet, du hast es schön hier, alles okay.“ Ich habe an Versetzung gar nicht gedacht. Überhaupt nicht! Aber das ist wieder so ein Punkt, verfügbar zu sein, wo man nötiger gebraucht wird.
Zum InterviewAls meine Mutter von meinen Wünschen erfuhr, war sie geschockt. Sie hat nur gesagt, „Wenn du meinst. Du bist zu jung. Warte noch.“ Aber da hatte ich mich schon angemeldet.
Zum InterviewIch wollte Schwester werden und so habe ich auch manches, was ich nicht so verstanden habe oder nachvollziehen konnte, einfach gemacht. Ich habe gedacht, das gehört dazu.
Zum InterviewIch würde mich wieder für ein Leben als Schwester entscheiden. Jedes Feld hat seine Freuden und Leiden und die gibt es bei uns auch. Nur weil wir als Schwestern leben, haben wir kein sorgenfreies Leben. Aber ja, ich würde es wieder machen.
Zum InterviewWas machen die Letzten? Was können wir noch tun? Wir können nur versuchen, das, was wir tun, ordentlich zu tun. Ich hoffe, dass es uns auf diese Weise gelingt, unseren Angestellten das vorzuleben und zu hoffen, dass sie es fortsetzen. Aber wirklich genau weiß ich es nicht.
Zum InterviewIch möchte den Menschen, die unsere Nachfolge antreten, mit auf den Weg geben, dass sie versuchen, wirklich vinzentinisch zu arbeiten. Vinzenz wollte, dass wir zu den alten und überhaupt zu den bedürftigen Leuten gehen. Dass der Blick für die Bedürfnisse da ist. Dass sie die Kraft haben, dieses Werk von Vinzenz und Louise weiterzuführen. Das würde ich mir wünschen, aber es ist schwer.
Zum InterviewInzwischen ist es so, dass all die Tätigkeiten, die früher Schwestern vorbehalten waren, heute von jedem Laien gemacht werden können. Manchmal denke ich, ob diese Zeit einfach vorbei ist oder ob irgendetwas Neues kommt. Irgendwie will ich es auch nicht wahrhaben. Ich weiß es nicht …
Zum InterviewInterview mit Sr. Hedwig
*17.07.1940
in Gescher/Coesfeld
abgeschlossene Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau
seit Nov. 1960 bei den Vinzentinerinnen zuerst in Köln-Nippes
Position: Einrichtungsleitung im Haus Rosalie
Wie haben Sie von den Vinzentinerinnen erfahren?
Durch meine älteste Schwester. Sie war in Kommern in der Küche beschäftigt und ist selbst Schwester geworden. (Sie wollte Köchin werden) Ich war 10 Jahre alt, als meine Schwester gegangen ist. Ich habe mich ohne das Wissen meiner Eltern hier im Provinzhaus angemeldet. Ich hatte ein innerliches „Du musst“ und dann habe ich es getan.
Nach meiner Ausbildung als Einzelhandelskauffrau bin ich zurück nach Gescher und habe da als Stenotypistin im Bereich Lohnbuchhaltung gearbeitet.
Kamen Sie aus einem gläubigen Haushalt?
Ich kam aus einem sehr gläubigen Haushalt. Vor allem meine Mutter. Was mich immer fasziniert hat, war dieses einfache und beständige Beten. Meine Mutter konnte nicht singen. Dennoch hat sie des Öfteren das Lied „Christi Mutter stand mit Schmerzen“ gesungen. Während sie das sang, ist es mir so durchgegangen, dass ich mich gefragt habe „Warum singt sie das?“, das ist doch ein trauriges Lied.
Wir sind zu zehnt groß geworden und sie hatte ständig mit uns Kindern zu tun, vor allem mit den Herausforderungen der damaligen Zeit. Und sie dann dieses Lied singen zu hören, da ist mir bewusst geworden, wie viel Sorgen sie hatte, die sie uns gar nicht zeigte, aber für die sie Trost im Gesang und Gebet gesucht hat. Rückblickend, frage ich mich, wie meine Mutter mit all den Sorgen umgegangen ist.
Ich komme trotz der vielen Personen, die wir waren, aus einem harmonischen Zuhause. Es gab bei uns weder Zank noch Streit.
Gab es für Sie eine Art Schlüsselmoment, in dem Ihnen klar geworden ist, dass Sie Schwester werden wollen?
Ja, den gab es.
Ich bin sehr gerne tanzen gegangen. Meine älteren Geschwister haben mich regelmäßig mitgenommen und ichweiß noch ganz genau, wie ich mit meiner nächstälteren Schwester zu einer Kirmesfeier in Vreden war. Nachdem ich bereits das gesamte Wochenende hingegangen war, bin ich auch noch montags gegangen. Und an diesem Montag gab es einen Moment, da war der Wunsch nach Tanzen auf einmal weg. Einfach weg! Ich wollte nicht mehr. Meine jüngere Schwester, die zum ersten Mal dabei war, war stinksauer. Aber ich wollte nicht mehr tanzen. Auf einmal war Schluss. Ich fand das komisch.
Ich wollte immer heiraten wie die anderen auch. Ich hatte auch einen Freund. Und zu meinem großen
Erstaunen habe ich dann festgestellt, dass auch dieser Mann nicht der Richtige für mich war.
Daraufhin habe ich Gott gebeten, mir ein Zeichen zu geben. Er hat mir kein Zeichen in klassischen Sinne gegeben, aber ich habe in mir ganz laut und deutlich gehört, wie jemand sagte „KOMM!“ Ich habe wie eine innere Stimme gehört. Das hat mich überwältig und ich habe bei mir gedacht, dass meine Lebenspläne so deutlich durchkreuzt werden sollen?! Nein!
Was war ihr Lieblingstanz?
Mein Lieblingstanz war der Walzer. Tanzen habe ich von meinen Geschwistern zuhause in der Küche gelernt.
Hatten Sie sich auch noch mal für andere Gemeinschaften interessiert?
Nein, für mich kamen nur die Vinzentinerinnen in Frage. Sie waren freundlich, hilfsbereit und irgendwie echt. Das hat mir sehr gefallen. Dieses Selbstverständliche. Das Praktische. Ich habe das Faszinierende bei denen gesehen.
Was haben Ihre Eltern gesagt als Sie Ihnen mitgeteilt haben, dass Sie Schwester werden wollen?
Als meine Mutter von meinen Wünschen erfuhr, war sie geschockt. Sie hat nur gesagt, „Wenn du meinst. Du bist zu jung. Warte noch.“ Aber da hatte ich mich schon angemeldet.
Wann genau sind Sie dann nach Köln-Nippes gekommen?
Ich bin am 25.11.1960 nach Nippes gekommen. Ich war ein halbes Jahr im Postulat, um zu schauen, ob ich das wirklich will.
Wie haben Sie die Zeit für sich erlebt?
Ich wollte Schwester werden und so habe ich auch manches, was ich nicht so verstanden habe oder nachvollziehen konnte, einfach gemacht. Ich habe gedacht, dass gehört dazu.
Was ist Ihnen denn auch mal aufgestoßen?
Ich habe mich anfangs mit den festgesetzten Zeiten und der religiösen Theorie schwergetan.
Wie war die Umstellung, aus dem familiären Umfeld in eine religiöse Gemeinschaft zu wechseln?
Ich bin monatelang krank gewesen vor Heimweh. Die Familie war für mich alles. Ich lebe bis heute noch in der Familie.
Wie war das für Sie, wenn Sie dann die ersten Male zu Hause waren und dann hier wieder zurückgekommen sind?
Damals bin ich mit dem Gedanken eingetreten, nicht mehr nach Hause zu kommen.
Wie viele von Ihren Geschwistern leben noch?
Wir waren bis vor 2 Jahren noch zu zehnt. Vor 2 Jahren ist Remakla gestorben und im letzten Jahr mein Bruder. Jetzt habe ich noch 3 jüngere und 2 ältere Schwestern.
Was haben die anderen Geschwister gemacht?
Die haben alle geheiratet.
Wie ging es dann weiter? Hat die komplette Ausbildung in Nippes stattgefunden?
1962 bin ich noch mit der alten Tracht eingekleidet worden. 1964 haben wir die Tracht gewechselt.
Dann haben die mich von Köln-Nippes nach Lindenthal in eine Ausbildung geschickt. In eine „Schule für Heimausbildung“. Ähnlich wie Kindergärtnerinnen, nur umfasste das mehr Psychologie. Das war eher für Ältere, für Schulkinder und Teenager.
Es war wie in einer großen Familie. Wir mussten für alles sorgen. Wir haben auch in der Gruppe geschlafen. Das war manchmal ganz schön hart, vor allem wenn die Kinder krank waren.
1968 bin ich nach Berlin gekommen. Das war ein Haus, das seit 1903 ungewollt schwangere Frauen aufnahm. Sie konnten dort bis zur Entbindung bleiben. 1966 musste das damit verbundene Krankenhaus zugemacht werden. An diese Stelle wurde ein Kinderhaus gebaut.
Zusammengefasst:
Ausbildung:
2 Jahre Heimerzieherin in Lindenthal
1 Jahr in Hardt
19 Jahre Berlin – Kinderheim mit 9 familiengegliederten Gruppen, Säuglingsheim und Kindergarten
Dann wurde das Krankenhaus in ein Altenheim umgebaut.
Aufgaben in Berlin:
13 Jahre Gruppenleitung
6 Jahre Heimleitung
Können Sie sich an etwas Besonderes aus dieser Zeit erinnern?
Ganz besonders habe ich die Sommerfeste in Erinnerung. Wenn alles auf den Beinen war. Die alten Leute und die Kinder. Ich fand es immer sehr schön, wenn richtig Trubel war. Darüber hinaus waren es immer die typischen „Familienfreuden“.
Gab es in der Zeit auch mal ein Kind, was Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Besonders ist mir ein Mädchen in Erinnerung geblieben. Wir haben sie unmittelbar nach der Entbindung von der Mutter bekommen. Sie kam in einer Tragetasche ins Säuglingsheim. Das war ein kleiner Feger. Die konnte man rechts festhalten, da hat sie links noch gestupst. Mit knapp 2 Jahren kam sie zu uns in die Gruppe, weil sie sie drüben nicht mehr halten konnten, weil sie an die kleinen Säuglinge ging. Sie kam zu uns in die Gruppe, weil wir die Halbschwester von ihr hatten. Wir haben immer versucht, Geschwister zusammenzuhalten. Das war damals noch neu, aber deshalb kam sie zu uns. Sie ist mir ans Herz gewachsen. Sehr. Ich konnte sie bis 12/13 halten. Bis dahin hatte sie bereits alles ausprobiert und genossen, was es gab. Ich musste sie abgeben. Es ging nicht mehr. Ich habe sie dann in ein anderes Haus verlegen lassen. Dieses war das einzige Mal, dass ich das gemacht habe. Es ging nicht mehr. Sie kam nach Westdeutschland. In den Ferien kam sie wieder zurück, weil sie nirgendwo anders hinkonnte. Sie hat sich eigentlich ganz gut entwickelt. Dann wurde sie schwanger. Der Freund war nie da. Wenig später wurde sie von einem anderen Freund schwanger. Dann stand sie eines Tages hier in Köln vor der Tür (zu der Zeit war ich in Köln). Ins Frauenhaus wollte sie nicht und so kam sie hier nach Nippes. Das war natürlich ein Ding. Wir hatten die ganze Zeit Kontakt und wussten auch immer, wo wir waren. Sie wusste noch von früher, wenn etwas war, dass wir Erzieherinnen uns um unsere Kinder gekümmert haben. Sie war mit dem einen Kind nach Köln gekommen und war wieder schwanger. Aber wohin mit ihr? Sie war aus dem Frauenhaus weg und stand hier vor der Tür. Die damalige Provinzoberin SR Cypriana hat erlaubt, dass sie mit uns im Haus wohnen konnte. Sie hat dann bei uns Schwestern gewohnt bis sie entbunden und wir für sie eine Wohnung gefunden hatten. Das ist alles schon lange her und der Kontakt ist immer noch da. Ich finde, dass sie sich sehr gut entwickelt hat. Sie hat sich zu einer selbstbewussten Frau entwickelt. Sie wohnt jetzt in Dünnwald und ist inzwischen dreifache Oma. Ich habe sie in der letzten Woche noch gesehen als sie mich besucht hat. Sie ist inzwischen 52 Jahre alt. Mit vielen ist eine Bindung entstanden, aber mit ihr ist es eine Besondere.
Wie ging es dann für Sie weiter?
In Köln hatte man die Idee, dass wir in Speicher jemanden brauchten und in Berlin war da jemand, der passte. Und dann wurde ich abberufen.
Wie war der Wechsel vom quirligen Berlin ins verschlafene Speicher für Sie?
Ich habe gedacht, „du sitzt schön in Berlin, hast dich eingerichtet, du hast es schön hier, alles okay.“ Ich habe an Versetzung gar nicht gedacht. Überhaupt nicht! Aber das ist wieder so ein Punkt, verfügbar zu sein, wo man nötiger gebraucht wird. Vom quirligen, lebendigen Berlin in das dörfliche Speicher … Ich habe einen Berliner Fahrstil, da konnten die Speicherer nicht mit umgehen. Ich habe gedacht. „du siehst ja hier noch nicht mal ein Auto“. Natürlich musste ich mich zuvor auch an Berlin gewöhnen. Straßen, die dreispurig waren. Am Anfang wusste ich gerade, wo beim Auto Gas und Bremse waren. Vom Tempo war der Wechsel wie von 100 auf 0. Aber – da waren ja Kinder und eine Aufgabe, die es zu erfüllen gab. Doch natürlich war es etwas anderes, Einrichtungsleiterin oder in eine Gruppe involviert zu sein. Das habe ich vermisst.
Gab es dennoch etwas, dass Ihnen aus dieser Zeit in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Ja, denn wider Erwarten war die Zeit in Speicher trotzdem sehr ereignisreich. Zum damaligen Zeitpunkt übersiedelten viele Russlanddeutsche – auch nach Speicher. Um die Menschen schnellst- und bestmöglich zu integrieren, sollten sie Deutsch lernen, jedoch stellte sich die Frage, was in dieser Zeit mit den Kindern geschehen sollte. Darüber hinaus gab es von Seiten der Landesregierung in Rheinland-Pfalz das Bestreben, insbesondere für alleinerziehende Väter und Mütter auch in ländlicher Umgebung Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Auf dieser Basis entstand im Jahre 1990 das „Haus für Kinder“, in dem vom Säugling bis zum Alter von 10 Jahren, Kinder liebevolle Auf- und Annahme fanden. Wir orientierten uns mit den Betreuungszeiten an den Bedürfnissen der Eltern und sorgten dafür, dass die Kinder bei uns Mittagessen konnten Hilfe bei den Schulaufgaben bekamen. Unser Konzept fand bei der Regierung derart großen Anklang, dass man uns 1990 mit der Durchführung eines Pilot-Projektes betraute. Was zunächst klein anfing, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer festen Einrichtung mit zwei gut laufenden Gruppen. So wurde 1995 die 1. heilpädagogische Tagesgruppe eröffnet und im Jahre 1998 die Zweite.
Wie lange sind Sie dann in Speicher geblieben?
1987 – 1998 in Speicher als Heimleiterin und Dienerin = Oberin Von Berlin aus habe ich nebenberuflich eine Heimleiterausbildung gemacht.
Und wie waren dann Ihre weiteren Stationen?
1998 – 2004 nach Köln – Nippes als Ökonomin
2004 – 2010 nach Kommern ins Tagungshaus der Vinzentinerinnen
Nebenbei habe ich offiziell Religionsunterricht gegeben und war Kinderbetreuerin in der Schule von 11 – 14 Uhr, weil ich mich nicht ausgelastet gefühlt habe.
2011 – 2014 nach Dünnwald (nachdem Kommern zugemacht wurde) in das Altenheim Da habe ich mit den Leuten Gedächtnistraining gemacht und habe Bewohner/innen zu Ärzten gefahren
seit 2014 Einrichtungsleiterin im Haus Rosalie
Wie war denn für Sie der Wechsel von Speicher, wo Sie als Einrichtungsleiterin zumindest noch nahe am Geschehen waren zur reinen Verwaltung nach Nippes als Provinzökonomin?
Das war wieder ganz etwas anderes. Man versucht, sich einzuarbeiten. Dafür habe ich noch einen Betriebswirt gemacht. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das nicht gemacht. So eine Ausbildung war dann wieder etwas völlig anderes als in der Praxis. Das war nicht so mein Ding. Ich war damals 62 Jahre alt. Mir war in diesem Moment gar nicht bewusst, dass ich zu einem Zeitpunkt, an dem andere an die Rente denke, noch mal eine Ausbildung gemacht habe. Aber dafür, dass es so schwierig war, habe ich sogar noch ganz gut abgeschnitten. Die Ausbildung ging über 2 Jahre und fand stets am Wochenende statt. Natürlich waren meine Mitauszubildenden deutlich jünger als ich, aber ich fand mich angenommen. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und zur Prüfungsvorbereitung haben wir uns auch in einer Lerngruppe getroffen.
Wenn Sie draußen auf der Straße in Ihrer Tracht sind, wie fühlen Sie sich von den Menschen wahrgenommen?
Das ist unterschiedlich. Interessant ist, dass ältere Leute einen mit „Tag Schwester“ begrüßen. Auch Menschen, die ich nicht kenne. Aber früher in Berlin habe ich es auch schon mal erlebt, dass ich blöd angeguckt oder angemacht wurde. Wenn Menschen mich wahrnehmen oder hier unsere Frauen ankommen, merke ich, dass sie einen Moment stutzen, aber sobald sie mich dann kennenlernen, gibt sich das.
Wenn Sie zurückschauen, würden Sie sich mit all diesen Erfahrungen und Erlebnissen wieder für ein Leben als Nonne entscheiden?
Ja, das würde ich. Jedes Feld hat seine Freuden und Leiden und die gibt es bei uns auch. Nur weil wir als Schwestern leben, haben wir kein sorgenfreies Leben. Zumindest empfinde ich das so. Denn – was unsere Kinder oder Frauen machen, ist mir nicht egal. Das erlebe ich auch ja mit. Aber ja,ich würde es wieder machen.
Was möchten Sie all denen, die Ihnen in Ihren Werken nachfolgen, mit auf den Weg geben?
Ich würde mir wünschen, dass sie versuchen, wirklich vinzentinisch zu arbeiten. Vinzenz wollte, dass wir zu den alten und überhaupt zu den bedürftigen Leuten gehen. Dass der Blick für die Bedürfnisse da ist. Dass sie die Kraft haben, dieses Werk von Vinzenz und Luise weiterzuführen.
Das würde ich mir wünschen.
Es ist schwer. Ich finde es schwer.
Es sind viele da, die wirklich versuchen, ihr Bestes zu geben. Aber es gehört auch Halt und Kraft dazu, das durchzuführen – für Bedürftige da zu sein. Wir als Schwestern sind frei, weil wir keine Familie haben, um die wir uns nach Feierabend kümmern müssen. Ich wünsche mir, dass das Vinzentinische grundsätzlich verstanden wird und gelebt werden kann.
Wie denken Sie, kann man diesen Menschen das Vinzentinische am besten vermitteln?
Wie genau, das weiß ich nicht. Man kann es versuchen, indem man Ihnen unsere Form der Spiritualität näherbringt. Mir ist bewusst, dass es schwer ist, dies nachzuvollziehen und dies ein Berufsleben lang zu machen. Es ist schwer auszudrücken, aber ich hoffe, dass es so gesehen wird, dass unser Leben nur für die Alten und Bedürftigen ist.
Wie ist Ihr persönliches Gefühl dazu, wenn Sie heute auf Ihre Einrichtungen gucken?
Ich kann es immer noch nicht richtig glauben. Wir waren so viele als ich eingetreten bin und plötzlich ist da nichts mehr. Und ich wünsche den Schwestern, die jetzt an der Leitung sind, einfach Kraft, weil auch sie nicht wissen, wie es weitergeht.
Es kann auch sein, dass es jetzt eine Zeit ist, wo einfach dieses Ordensleben vorbei ist.
Und wenn ich daran denke, dass hier in Deutschland – woanders geht es ja weiter – irgendwann keine Schwester mehr ist…
Was machen die Letzten? Was können wir noch tun? Wir können nur versuchen, das, was wir tun, ordentlich zu tun. Ich hoffe, dass es uns auf diese Weise gelingt, unseren Mitarbeitern das vorzuleben und zu hoffen, dass sie es fortsetzen. Aber wirklich genau, weiß ich es nicht. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob das Ganze von einer Ordensfrau gemacht wird, deren Lebensinhalt darin besteht oder ob es eine Familienmutter ist, die ihren Lebensunterhalt auf diese Weise bestreitet.
Worin sehen Sie den Grund, dass es hier in Deutschland keine neue Mitschwestern gibt?
Da habe ich viel drüber nachgedacht. Anfangs hieß es, „Ihr müsst mehr beten!“ Ich weiß nicht. Ich denke, jetzt haben Schwestern und Pater über hunderte von Jahren dieses caritative Leben entwickelt. Inzwischen ist es so, dass all die Tätigkeiten, die früher Schwestern vorbehalten waren, heute von jedem Laien gemacht werden können. Manchmal denke ich, ob diese Zeit einfach vorbei ist oder ob irgendetwas Neues kommt. Irgendwie will ich es auch nicht wahrhaben. Ich weiß es nicht …